Tipps zu Laufstrecken auf Reisen in fremde Städte
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Genussläufe in der Fremde
Perfekte Laufstrecken auf Reisen finden

| von Tom Rottenberg

Einfach loslaufen ist eine Methode. Aber es gibt viel bessere Möglichkeiten, um auf Reisen Laufstrecken zu finden. Eine der der besten: Die Webseite Great Runs von Mark Lowenstein aus Kanada.

Natürlich kann man auch einfach losrennen. Das geht immer. Das ist ja das Gute, Praktische und Schöne am Laufen: dass es so einfach ist. Schuhe an – und: los! Wenn man „Laufen“ nur über Form und Dauer der Bewegung definiert, wird genügt das: Man kann einen Marathon ja auch rund um einen Häuserblock rennen. Es gibt einen Weltrekord über 100 Kilometer im Kreisverkehr. Technisch ist das Laufen - aber mit Erleben und dem Kennenlernen einer Gegend, Stadt oder Region hat das nichts zu tun. Doch gerade anderswo ist – egal ob im Urlaub oder auf Businesstrip - ist auch der Genuss beim Laufen wichtig. Darum wird dann die Frage nach dem Finden der richtigen Laufstrecken auf Reisen relevant. Wie findet man Strecken, auf denen man seine Reiseziele wirklich erlebt und in die Laufszene vor Ort eintauchen kann? Das liest du hier.

Denn Laufen macht Umgebung nicht nur sicht- sondern auch spürbar: Laufend ist man schnell genug, in kurzer Zeit mehrere Bilder wie Bühnen zu durchwandern. Aber langsam genug, um den Ort zu spüren. Schon auf dem Rad ist man da oft zu schnell. Im Bus oder der S-Bahn ist man hinter einer Scheibe – und sieht einen Film. Und im Auto ist man von der Außenwelt abgekapselt. Als Läuferin oder Läufer ist man aber mittendrin. Spürt, wie eine Stadt aufgebaut und gewachsen ist: Menschenfreundlich – oder für Autos optimiert? Man und hört, sieht, riecht und fühlt – und ist kurz selbst Teil der Umwelt.

Umso wichtiger ist die Routenwahl für deine Laufstrecken auf Reisen. „Einfach los“? Das kann toll und spannend werden, sehr leicht aber auch ein „Griff ins Klo“. Es genügt, parallel zur malerischen Allee eine starkbefahrene Hauptverkehrsachse zu erwischen. Oder die falsche Richtung zu wählen: Statt Sehenswürdigkeiten, Parks und Prunkbauten sieht man dann Industriegebiete, Shoppingmalls und am Ende die Kläranlage.

Klar, das ist die Extremvariante. Und an den meisten Hotelrezeptionen ist man auf die Frage nach guten Laufrouten für alle vorbereitet, die auf ihrer Reise gute Laufstrecken nutzen wollen. Viele Städte und etliche Hotelketten, legen eigene Running-Pläne auf. Manche haben sie sogar schon per QR-Code abrufbar.

In der Regel bedienen sie sich dabei jener Quellen, die logisch und naheliegend sind: Die Routen, die in der lokalen Laufszene beliebt und am häufigsten belaufen sind. Und um die zu finden, muss man weder einem Laufclub beitreten noch Läufer interviewen (oder verfolgen) – ein Blick auf lokale „Heatmaps“ beispielsweise bei Strava genügt.

„Heatmaps“ zeigen kumulierte Verkehrsdichten. Vereinfacht gesagt: „Spurrillen“ auf digitalen Landkarten: Das Gros der Läuferinnen und Läufer trackt heutzutage eigene Runs mit GPS-fähigen Laufuhren (oder über Apps). Diese Aufzeichnungen liegen dann auch auf den Servern der App- oder Uhrenhersteller. Legt man sie übereinander, stechen die beliebtesten Routen fett und hell leuchtend hervor. Und die große Masse läuft ja wohl dort, wo das gut und schön geht.

Reiseziele intensiver erleben: Mit Laufen
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Reiseziele intensiver erleben: Mit Laufen

Diesen Umstand nutzen auch automatisierte Routenvorschlagstools. Wer auf der Uhr oder in der App „Explore“-Funktionen („Schlage mir Laufrouten in der Umgebung vor“) anklickt, wird meist dorthin geschickt, wo die meisten Leute laufen.

Sucht man detaillierter, wird das Ergebnis präziser. Allerdings bieten sich dafür dann eher spezialisiertere Planungs-Tools wie „Komoot“ oder „Alltrails“ an, eventuell auch „Strava“: Wer die gewünschte Distanz, Dauer, Himmelsrichtung oder Höhenmeter angibt und eine oder zwei Sehenswürdigkeiten in der Karte auswählt, bekommt in der Regel maßgeschneiderte, oft von anderen Läuferinnen und Läufern mit Fotos und Kommentaren versehene Streckentipps. In Städten ebenso wie auf dem Land. Oft sogar schon in den Gratisversionen der diversen Apps – wobei das oft von der Weltgegend abhängt, in der man unterwegs ist.

Aber Vorsicht: Es ist wichtig, da die „richtige“ Sportart oder Bewegungsform auszuwählen. Und: Universell verfügbare Anwendungen wie Google Maps sind zum Finden von Laufrouten nur beschränkt brauchbar. Sie sind für das Finden möglichst effizienter Wege von A nach B programmiert – während Lauf- und Routenapps (auch) auf die Qualität des Lauferlebnisses achten.

Auf Reisen findet man die besten Laufstrecken nicht mit Diensten wie Google Maps
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Google Maps und Co. sind kaum hilfreich bei Laufstrecken

Freilich: Lokale Lauftreffs und -Communities kennt auch die ausgefuchsteste App nicht. Wo man sich trifft und austauscht, in welchen Shops oder – nach dem Run – Cafés Läuferinnen und Läufer willkommen sind, welche Läufe in den Sonnenauf- oder -untergang wann wo am eindrucksvollsten sind, zu welcher Tages- oder Jahreszeit man in welchem Park die schönsten Blicke in oder über die Stadt findet oder wann es sich auszahlt, einen Umweg zu machen, weil da jeden Donnerstagnachmittag ein kleines Straßenkonzert stattfindet: All das kann keine App, kein Algorithmus und schon gar keine KI (künstliche Intelligenz) automatisiert aus Heatmaps und Ähnlichem heraussaugen. Dafür braucht man Menschen. Menschen, die Gegend, Region und die lokale Szene kennen - und zwar aus der Laufperspektive.

Womit wir bei Mark Lowenstein wären. Der 59-Jährige stammt aus dem kanadischen Montreal, lebt aber mit seinen mittlerweile erwachsenen Kindern seit Jahrzehnten in Boston. Wenn er nicht gerade als IT-Experte auf der ganzen Welt unterwegs ist. Wie viele andere Viel- und Dienstreisende hatte und hat der „bekennende Genuss- und Langsamläufer“ Laufschuhe und -outfit immer mit dabei. Weil Laufen nach und zwischen den Jobs, „das Beste ist, was man für Kopf und Körper tun kann“.

Lowensteins Problem liegt auf der Hand: „In New York den Hudson entlang oder im Central Park zu laufen, ist einfach. Aber wo läuft man, wenn man das erste Mal in Seattle ist? In Detroit? Oder in Dublin? Was sind die besten Laufstrecken auf solchen Reisen?“ Und: Muss das immer alleine sein? Wo und wie findet man andere Läufer, Community-Runs oder Wettbewerbe? Natürlich kann man improvisieren: Parks und Flussufer auf der Karte suchen. Oder hoffen, an der Hotelrezeption an den oder die Richtige zu kommen.

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Erfinder von Great Runs, der Webseite fürs Laufen auf Reisen: Mark Lowenstein

Lowensteins Job ist es, dauerhaft gültige Lösungen, Antworten und sichere Abläufe für immer wieder auftauchende Fragen oder Probleme zu finden. Also übertrug er diesen Zugang auf sein ja nicht nur ihn betreffendes Lauf-Dilemma – und fand eine Lösung: Er setzte eine Homepage auf. Eine Seite, auf der genau diese Informationen zu finden sind: Läufe, Treffpunkt, Tipps – nach Ländern und Städten geordnet. Und – ganz wichtig – gratis. Das war 2016: da ging „Great Runs“ online – und in den USA sehr rasch durch die Decke.

Lowenstein hatte einen Punkt getroffen: Ohne Werbe- oder PR-Budget, einfach nur durchs Weitersagen und Verlinken, konnte die Seite eine mehr als ansehnliche Reichweite aufbauen. Derzeit nutzen fast 300.000 Userinnen und User sein längst die ganze Welt umfassendes Lauf-Nachlagewerk. Pro Monat. Den (unregelmäßigen) Great Runs-Newsletter beziehen über 30.000. Mit für Läuferinnen und Läufer aber weit relevanteren Zahlen tut sich Lowenstein dann aber schwer: Für wie viele Städte und Regionen genau derzeit auf Great Runs Laufstrecken angeboten werden? „Ehrlich: Ich weiß es nicht - es kommen ja ständig neue dazu.“

Die Seite ist längst keine One-Man-Show mehr: Aus der ganzen Welt schicken meist freiwillige Locals Tipps, Hinweise und Routenvorschläge. Lowensteins „viel zu kleines“ Team kommt mit dem Sichten, Nachprüfen, Bewerten und klassifiziert Onlinestellen kaum nach. Das Personal aufstocken? Schwierig: „Ich will, dass die Nutzung weiterhin kostenfrei bleibt.“ Davon, die Seite – Angebote gäbe es – lukrativ zu verkaufen oder kaum bis gar nicht erkennbare Werbetexte oder -links einzubauen, hält der Great Runs-Gründer wenig: Klar werben Hersteller und Unternehmen hier. Aber „es muss klar sein, was ein redaktioneller Tipp und was Werbung ist.“

Die Autorinnen und Autoren, die für Lowenstein laufen und schreiben, legen in ihren bunten City-Tipps den Fokus auf das Gute, Schöne und für Besucher Brauchbare: Klimakarten gehören da ebenso dazu wie Verweise auf (hoffentlich) gute öffentlich Zu- oder Heimbringer, auf Gratis-Leihfahrradsysteme oder auf geführte Lauftouren und Site-Running-Anbietern.

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Ein Klick-Hit: Die schönsten Laufstrecken an Stränden

Darüber hinaus wird das weltweite Angebot nicht bloß nach Kontinenten, Ländern und Regionen geordnet und strukturiert und dann detailliert und kleinräumig-kleinteilig beschrieben, sondern auch nach Funktionalität und Themen geordnet: Das Suchfenster „Laufrouten in der Nähe von Flugplätzen“ etwa mauserte sich speziell bei Airline-Crews in Windeseile zu einem echten Zugriffs-Hit.

Und Rankings wie „Zehn Strandtraumläufe“ sind längst nicht nur Service – sie machen auch Lust aufs Reisen. Ebenso wie Zusammenstellungen, in denen etwa die 35 schönsten Park-Runden Europas, die eindrucksvollsten Fluss-Lauf-Strecken, Läufe zu und zwischen Schlössern und Burgen, bei oder auf Vulkanen oder aber auf Universitätscampussen weltweit aufgelistet werden. Oder wo Kongressstädte anhand ihrer Laufstrecken beschrieben werden. Manchmal versucht Lowenstein auch, Botschaften auszuschicken: Dass vergangenen Winter bei den „Zehn schönsten Winterlaufstrecken“ Kiew und Moskau friedlich nebeneinander standen, war kein Zufall.

Hin und wieder warnt Great Runs aber auch: Es gab schon eine Liste von Städten, in denen das Laufen schwer, unmöglich, gefährlich oder einfach unlustig ist. Die ist derzeit aber nicht online. Weil man ja sogar dort irgendwo doch noch versteckte Lauf-Spots – also Geheimtipps – finden könnte, erklärt der Lauf-Guide-Seitenherausgeber. Dennoch gäbe es Grundcharakteristika, die Städte ganz grundsätzlich zu „guten“ und „schlechten“ Lauf-Regionen machen: „Städte, die für oder um das Auto herum geplant worden sind, eignen sich weniger zum laufen“, doziert Lowenstein – und klingt dann plötzlich nicht mehr nach IT-Mann sondern wie ein Stadtplaner: „Eine Stadt, in der man zu Fuß einkaufen gehen kann, in der es gewachsene Zentren und Viertel gibt, wo die Menschen Grünraum, Radwege und Parks statt Stadtautobahnen haben ist eine gute Laufstadt.“ Im Grunde, fast er dann lächelnd zusammen, sei es aber einfach: „Eine gute Laufstadt ist eine Stadt, in der man auch mit seiner Familie gerne leben möchte.“